Bauernproteste greifen zu kurz

Veröffentlicht am 19.01.2024 in Ortsverein

Die Proteste der Bauern sind nachvollziehbar. In den letzten 20 Jahren haben über 40 % der landwirtschaftlichen Betriebe aufgegeben. So haben wir seit 2001 in Deutschland über 185.000 Betriebe verloren. Nur diesen Umstand jetzt alleinig der Ampelkoalition anzulasten, greift zu kurz. Die Probleme der Landwirte wären bei weitem nicht gelöst, wenn es die Dieselsubventionen weiterhin gäbe oder es gar zu Neuwahlen käme.

Vielleicht sind die Proteste der Bauern aber auch eine Gelegenheit über das System nachzudenken, das auf das „friss oder stirb“ Prinzip ausgelegt ist. Die Industrialisierung der Landwirtschaft und die EU-Subventionen bevorteilen große Betriebe mit viel Anbaufläche, während kleine Betriebe aufgeben müssen, um dann von den größeren gefressen werden. Beschleunigt wird das durch Bodenspekulation und dem Einfluss eines agrarindustriellen Komplexes aus Saatgut-, Düngemittel- und Pestizidherstellern. Zudem können die Landwirte kaum auf den Preis ihrer Produkte Einfluss nehmen, den wenige große Lebensmittel- und Handelskonzerne vorgeben. So berichtet ein Milchbauer im Fernsehen, dass ihm der Preis für Milch von der Molkerei vorgegeben wird und er daher auf Dieselsubventionen angewiesen ist. Aus der Sicht der Bürger gibt es volles Verständnis für die Situation der Bauern. Aus Sicht der Steuerzahler ist es aber nicht mehr vermittelbar, warum unser sauer verdientes Geld letztendlich in den üppigen Konzerngewinnen der Agrar- und Lebensmittelbranche landet. Die schütten dann trotz Krise Milliardengewinne an ihre Aktionäre aus.

Wir müssen endlich dafür sorgen, dass der wirtschaftliche Druck auf die Bauern reduziert wird und faire Preise bezahlt werden. Bauern haben es nicht verdient, zu „Bauerngeldempfängern“ degradiert zu werden. Die Bauern sollten daher in der Ampelkoalition nicht den Sündenbock sehen, sondern eine Chance für Reformen. Wer glaubt, das wäre eher mit einer anderen Regierung zu machen, der irrt. Die Union hat doch über Jahrzehnte dieses System in Brüssel und Berlin erst geschaffen, das die Bauern an den Tropf des Staates gebracht hat. Und die neoliberale AfD, die gute Kontakte zu Industriellen wie Theo Müller (Müllermilch) pflegt, möchte sogar alle Subventionen streichen.  Daher raten wir den Protestierenden, einen ideologiefernen Dialog zu suchen und den Protest nicht einfach auf die nächste staatliche „Blutkonserve“ zu beschränken.

 

Kreisverband Heilbronn- Land

SPD Heilbronn-Land

Josip Juratovic (MdB)

https://www.josip-juratovic.de/