Die Minderheit entscheidet

Veröffentlicht am 07.11.2021 in Ortsverein

Für einen Führungsanspruch auf das Kanzleramt reichen 25,7% der Wählerstimmen, für eine Regierungsmehrheit benötigt man schon eine Mehrheit der Abgeordneten. Für manche Gesetze benötigt man zudem noch eine Mehrheit im Bundesrat, und für eine Änderung des Grundgesetzes benötigt man sogar eine Zweidrittelmehrheit. Das sind die Regeln der Demokratie, wie sie in Deutschland seit Jahrzehnten gelebt werden. Gewählte Mehrheiten bestimmen die Führung des Landes und entscheiden über Gesetze. Bei der Corona Pandemie verhält es sich umgekehrt. Um die sogenannte Herdenimmunität zu erreichen, müssen sich über 85% der Menschen impfen lassen, für die eine Impfung möglich ist. Zurzeit haben sich aber von den insgesamt 73,9 Millionen Menschen nur 55 Millionen vollständig impfen lassen. Das reicht noch nicht aus. So sind es 18 Millionen Mitbürger, also eine Minderheit, die bestimmen, ob wir einen „Freedom Day“, einen „Freiheitstag“, und damit das Ende der Pandemie Einschränkungen ausrufen können oder nicht. Darüber entscheidet demnach nicht die Mehrheit.

Natürlich könnte die Mehrheit festlegen, dass sich alle impfen lassen müssen. Aber eine Impfpflicht ist sicher nicht der richtige Weg. Auch den Druck zu erhöhen verfestigt nach neusten Umfragen nur den Unwillen der Ungeimpften. Am besten wäre es daher auf die Ängste und Bedürfnisse der Impfunwilligen einzugehen und einen Konsens zu finden. In jedem Fall ist es wichtig den Dialog zwischen den Impflagern aufrechtzuerhalten, denn so mancher Riss trennt schon Freundschaften, Vereine, Betriebe oder gar Familien.

Letztendlich muss man aber auch den Spielraum der Politik klar erkennen. Sollte das Gesundheitssystem an die Kapazitätsgrenze kommen, dann ist jede Regierung gezwungen zu handeln. Da gibt es keinen Ermessensspielraum mehr. Denn wenn zu viele Corona Erkrankungen zu einer Überlastung der Krankenhäuser und Intensivstationen führt, betrifft es uns alle. So schildert ein SPD Mitglied aus Beilstein den Fall eines Angehörigen, der nach einer koronaren Erkrankung als Notfall auf eine Intensivstation in einem Krankenhaus der Region eingeliefert wurde. Nur etwa 12 Stunden nach einer OP am Herzen wurde der Angehörige morgens um 3 Uhr geweckt mit einem „Wir brauchen Ihr Intensivbett, wir müssen Sie verlegen“. Verlegt wurde der Angehörige erst mal in das Untergeschoss des Krankenhauses, auf die Etage der Krankenhausküche, da zu der Zeit kein Bett auf einer anderen Station gefunden werden konnte. Wer als Patient oder als Angehöriger so etwas erlebt, der muss sich sicher zusammenreißen, wenn er über all die vermeidbaren Fälle in den Krankenhäusern nachdenkt. Dennoch müssen wir uns alle in Geduld und Toleranz üben, denn das letzte was wir jetzt noch brauchen ist eine Spaltung dieser Gesellschaft. Was bleibt ist der Appell sich impfen zu lassen, denn jeder der sich impfen lässt, macht das auch für die Anderen, und nicht nur für sich selbst.

 

Kreisverband Heilbronn- Land

SPD Heilbronn-Land

Josip Juratovic (MdB)

https://www.josip-juratovic.de/