Opfer oder Täter?

Veröffentlicht am 02.12.2022 in Ortsverein

In Deutschland wird jede dritte Frau in ihrem Leben Opfer physischer oder sexualisierter Gewalt. Im Landkreis Heilbronn wurden vom Statistischem Landesamt 2018 zwischen 3.500 und 5.000 Opfer häuslicher und sexueller Gewalt erfasst, die überwiegende Mehrheit davon Frauen. Dabei dürfte die Dunkelziffer noch erheblich höher liegen. Betroffene Frauen werden in ihrem Schicksalsschlag oft alleine gelassen und nur unzureichend unterstützt, wenn sie um Hilfe bitten. So ist auch im Landkreis Heilbronn das Beratungsangebot immer noch ungenügend, und trotz der zahlreichen Versprechen in Politik und Gesellschaft sieht die Realität für die zahlreichen betroffenen Frauen immer noch nüchtern aus. Überwinden die Frauen ihre Scham und wenden sich an die Behörden, so steht ihnen oft ein langwieriger und quälender Spießrutenlauf bevor. Viele Frauen verzichten daher oft lieber auf die Anzeige und ergeben sich im Stillen ihrem Schicksal. Das sollte uns zu denken geben.

Wie es Frauen ergeht, die sich dennoch gegen sexualisierte Gewalt wehren, sieht man exemplarisch an der Polizeibeamtin, welche die sexuelle Nötigung des Polizeiinspekteurs des Landes zur Anzeige gebracht hat. Trotz eines mitgeschnittenen Videobeweises der Tat hielt es Innenminister Thomas Strobl (CDU) nicht davon ab, seinem Schützling, dem Polizeiinspekteur, zur Seite zu springen. Er ließ persönliche Informationen aus dem Verfahren an die Presse durchsickern, mit der Absicht, den Vorwurf der jungen Polizeibeamtin zu bagatellisieren. Das anschließende Possenspiel bei der Suche nach der undichten Stelle im Innenministerium beendete Thomas Strobl am Ende einfach mit einer Geldzahlung. Dass Innenminister Strobl nun an seinem Stuhl klebt, wie ein radikaler Klimaaktivist am Asphalt, stört selbst den Grünen Ministerpräsidenten Kretschmann nicht. Auch für ihn ist die Affäre vom Tisch.

Nicht so gut läuft es für die junge Polizeibeamtin, die sich gegen das „Beförderung  gegen Gefälligkeit“ Prinzip gewehrt hat. Gegen sie läuft derzeit ein Ermittlungsverfahren, da sie die Unterhaltung zur Beweissicherung mitgeschnitten hat. Für Strobl und Kretschmann mag der Fall ausgesessen zu sein, aber für die junge Beamtin kann ihr Handeln indessen ernsthafte Konsequenzen haben. Das wird viele Kolleginnen abschrecken, denselben mutigen Weg zu gehen.

Gerade der Fall der jungen Beamtin, aus der jetzt ein Täter gemacht werden soll, zeigt, dass vollmundige Ankündigungen nicht reichen. Die derzeitige Beförderungspraxis im Lande scheint eher von Gefälligkeiten, Parteibüchern und Seilschaften geprägt zu sein. Für die SPD sollten mehr Frauen mit verantwortlichen Positionen vertraut werden, auch um dieses Geflecht zu durchlöchern. Und bei Beförderungen sollten einzig die Qualifikationen ausschlaggebend sein.

 

Quellen:

Die Fachberatungsstellen bei häuslicher und sexueller Gewalt an Frauen in Baden-Württemberg (statistik-bw.de)

U-Ausschuss Polizeiaffäre: Kretschmann verteidigt sich und Strobl - SWR Aktuell

Polizei-Affäre in BW: Nach Strobl auch Ermittlungen gegen Beamtin - SWR Aktuell

 

Kreisverband Heilbronn- Land

SPD Heilbronn-Land

Josip Juratovic (MdB)

https://www.josip-juratovic.de/